Allianz Gastprofessur

Artikel vom 19. Oktober 2012 zuletzt aktualisiert am 1. Dezember 2018

Anfang 2002 überraschte uns die Allianz Group – zu der langjährige persönliche Kontakte bestanden – mit der Nachricht, sie plane die Stiftung einer langfristigen Allianz Gastprofessur für islamische und jüdische Studien. Der brutale Terror des 11. September 2001 gab für das Unternehmen den Anstoß, sich mit einem großzügigen Programm für die Verständigung zwischen den Kulturen einzusetzen. Jedes Semester sollte ein neuer Gastprofessor oder eine Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München die Professur mit Leben erfüllen, möglichst abwechselnd für Studien der jüdischen oder islamischen Geschichte und Kultur.
Leider ist das Projekt seit 2018 Geschichte.

Unsere Gesellschaft wurde damals gebeten, ein Konzept zu entwickeln, um gemeinsam mit der Allianz die Kandidaten für die islamischen Studien auszuwählen sowie die außeruniversitäre und persönliche Betreuung der Gastprofessoren zu übernehmen. Unser Konzept diente dem Freundeskreis des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur e.V. an der LMU als Muster für die dort betreute Gastprofessur.
Als Auswahlkriterium gilt neben der herausragenden fachlichen Qualifikation die Herkunft der Wissenschaftler aus einem Land der islamischen Welt oder die Tätigkeit in einem islamischen Umfeld.

Unser Ehrgeiz war es, zum Auftakt eine bedeutende Persönlichkeit an die Münchner Universität zu holen. Dies gelang für das Sommersemester 2003 auf glänzende Weise mit der Berufung des ersten Allianz Gastprofessors für Islamische Studien, Professor Dr. Dr. h.c. mult. Ekmeleddin Ihsanoglu, einem Wissenschaftshistoriker, der damals als Generaldirektor dem Forschungszentrum für Islamische Geschichte, Kunst und Kultur IRCICA im Istanbuler Yildiz Palast vorstand. Die Gesellschaft verlieh ihm im Februar 2004 für seine Verdienste um unsere satzungsgemäßen Ziele die Ehrenmitgliedschaft. Im Juni des selben Jahres wurde Professor Ihsanoglu zum Generalsekretär der Konferenz der Islamischen Staaten OIC, der „UN der Islamischen Welt“, gewählt. Professor Ihsanoglu ist Anfang des Jahres 2014 wieder an ein Institut in Istanbul zurückgekehrt.

Ab Wintersemester 2004 kam für ein Jahr der in Palästina geborene und damals in den USA lehrende Literaturhistoriker Professor Dr. Ibrahim Muhawi als zweiter Allianz Gastprofessor für Islamische Studien nach München. Ihm folgten im Wintersemester 2006/07 der Wirtschaftshistoriker Professor Dr. Murat Cizakca, Bursa (jetzt INCEIF, The Global University of Islamic Finance), und im Sommersemester 2007 der am MIT in Boston lehrende Architekturhistoriker Professor Dr. Nasser Rabbat. Ab Wintersemester 2008 lehrte für ein Jahr der an der Universität in Sarajevo tätige muslimische Religionswissenschaftler Professor Dr. Enes Karic an der LMU.

Meisterwerke muhammedanischer Kunst

Im Wintersemester 2010/11 und im Sommersemester 2011 lehrte Frau Professor Sussan Babaie Ph.D., eine in Iran geborene Kunsthistorikerin, an Münchens Universität. Die Heimatuniversität von Frau Babaie war zwar die in der islamischen Kunstgeschichte berühmte University of Michigan in Ann Arbor (MI), doch hielt sich die Professorin ab 2009 überwiegend im Nahen Osten zu Lehrveranstaltungen in Kairo, Aleppo und Beirut auf. Wir haben uns besonders über die erste Dame im Kreise der Gastprofessoren für Islamische Studien gefreut. Ihre Wahl erfolgte nicht zuletzt im Kontext zu den vielen Veranstaltungen in Erinnerung an die große Münchner Ausstellung „Meisterwerke Muhammedanischer Kunst“ 1910. Prof. Babaie hatte ab Herbst 2013 eine Lehrtätigkeit am Courtauld Institute of Art, das zur University of London gehört, zu den Themen rund um The History of Persian and Islamic arts of Asia aufgenommen; inzwischen ist sie als freie Kunsthistorikerin tätig.

Als siebte Allianz Gastprofessorin für Islamstudien lehrte im Wintersemester 2012/13 Frau Professor Dr. Tülay Artan an der LMU. Frau Artan kam von der Istanbuler Sabanci Universität, deren Website Auskunft über ihre wissenschaftliche Arbeit gibt. Im Sommersemester 2013 wurde weder die Professur für islamische noch die für jüdische Studien besetzt.

Seit dem Wintersemester 2013/14 und noch im Sommersemester 2014 hat Prof. Dr. Yousef Meri, Cambridge, als achter Allianz-Gastprofessor für Islam-Studien am Institut für den Nahen und Mittleren Osten das Amt übernommen. Yousef Meri ist Historiker mit den Spezialgebieten muslimische und jüdische Pilgerfahrt nach Syrien, muslimische Koranauslegung und arabische Autobiographien. Er wurde im Februar 2014 mit dem renommierten Ignaz Goldziher Preis ausgezeichnet, der vom Center for the Study of Jewish-Christian-Muslim Relations am Merrimack College in North Andover (MA) verliehen wird.

Im Sommersemester 2015 lehrte Prof, Dr, Sunil Kumar, ein Historiker aus Neu Delhi, in München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Sultanate und Stadtentwicklungen im mittelalterlichen Südostasien und Indien. Zu Kumar und dem letzten Gastprofessor für jüdische Studien finden Sie hier weitere Informationen. Im Wintersemester 2015/16 lehrte Prof. Dr. Bernard Wasserstein von der University of Chicago als Gastprofessor für jüdische Studien in München.
Im Wintersemester 2016/17 kam mit Prof. Dr. Zeynep Kuban von der Istanbuler Technischen Universität wieder eine Professorin für die Islamischen Studien nach München; sie lehrte Architekturgeschichte. Als letzten Gastprofessor für Islamische Studien hatten wir im Sommersemester den Historiker Prof. Dr. Tamer el-Leighty von der Johns Hopkins University, Baltimore, zu Gast in München. Ein Germanist und Historiker, Prof. Sander L. Gilman (Jüdische Studien)  aus Atlanta,  beschloss dann im Wintersemester 2017/18 die stolze Reihe von insgesamt fast 30 internationaler Koryphäen.

Der von der Allianz SE 2003 zur Verfügung gestellte Betrag von 1 Million Euro war damit aufgebraucht und das Unternehmen sah sich nicht in der Lage, ein von der LMU ausgearbeitetes Nachfolgeprojekt zu finanzieren.

Geblieben sind noch einige internationale Kontakt, auch die eine oder andere herzliche Freundschaft zwischen den Gästen und ihren Münchner Betreuern. Spuren finden sich davon auch in den Jahrbüchern der Gesellschaft EOTHEN.

In der Website der Allianz zur Gastprofessur finden Sie nicht nur eine Liste aller Allianz Gastprofessoren für Islamische und Jüdische Studien, sondern auch Informationen zu der von Allianz, LMU und unserer Gesellschaft im November 2010 veranstalteten Symposium, an dem die meisten der bis dato in München lehrenden Gastprofessoren teilnahmen.