Im Land der Derwische und Sufis

Artikel vom 5. Oktober 2017

Vor genau 30 Jahren erschien in Berlin das Buch „Alltagsverhalten in Pakistan“ zu dem Annemarie Schimmel ihr umfangreiches Vorwort mit dem Satz schloß „So wird Jürgen Frembgens Studie hoffentlich das Verständnis für dieses schöne Land und liebenswerte Volk mit seinem reichen und mannigfaltigen Kulturerbe fördern und ihm neue Freunde gewinnen“. Dr. Jürgen Frembgen, damals als Ethnologe Leiter der Orientabteilung des Staatlichen Museums für Völkerkunde, München, hatte das in einem schmerzhaften Prozeß erst 1947 als Islamische Republik unabhängig gewordene Land seit 1981 in zahlreichen Feldforschungen gut kennen gelernt. Das Buch sollte „dem Gast aus dem Westen durch die Beschreibung und Deutung einheimischer Verhaltensweisen eine Orientierungshilfe geben“.

Während seiner bis 2016 andauernden Museumstätigkeit, und noch bis heute, setzte Jürgen Wasim Frembgen – inzwischen Außerplanmäßiger Professor für islamische Religions- und Kulturgeschichte an der LMU München – seine Studien fort und publiziert laufend sowohl zu wissenschaftlicen Fragen, wie auch vor allem aus dem Alltag der Bewohner Pakistans.

Hier eine Auswahl der deutschsprachigen Titel, die teilweise auch in englischer Übersetzung vorliegen:

  • Alltagsverhalten in Pakistan. EXpress Edition, Berlin 1987
  • Naswar. Der Gebrauch von Mundtabak in Afghanistan und Pakistan, Bibliotheca Afghanica, Liestal 1989
  • Derwische. Gelebter Sufismus. Wandernde Mystiker und Asketen im islamischen Orient. DuMont, Köln 1993; veränderte Neuauflage: Reise zu Gott. Sufis und Derwische im Islam. C.H.Beck, München 2000, (beck’sche Reihe Nr. 1380)
  • Kleidung und Ausrüstung islamischer Gottsucher. Ein Beitrag zur materiellen Kultur des Derwischwesens, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1999
  • Nahrung für die Seele – Welten des Islam, Staatliches Museum für Völkerkunde, München 2003 (Katalog der Islamischen Dauerausstellung des Museums
  • Am Schrein des roten Sufi. Fünf Tage und Nächte auf Pilgerfahrt in Pakistan. Waldgut-Verlag, Frauenfeld 2008 (siehe hierzu die Besprechung in dieser Website)
  • Die Aura des Alif. Schriftkunst im Islam (als Hrsg.). Prestel-Verlag, München 2010 (ausführlicher Katalog einer Ausstellung des Museums zur islamischen Kalligraphie)
  • Nachtmusik im Land der Sufis. Unerhörtes Pakistan. Waldgut-Verlag, Frauenfeld 2010 (besonders interessant wegen eines ausführlichen Katalogs von Musikbeispielen auf CD), Broschur, 180 Seiten, 27€

„Nach seinem großen Erfolg mit Am Schrein des roten Sufi (2008), das Grundlage für zwei Dokumentarfilme von 3Sat und WDR wurde, konzentriert sich der Münchner Ethnologe und Museumskurator Jürgen Wasim Frembgen in seinem neuen Buch auf seine Erlebnisse mit der spirituellen Musik des Volksislams in Pakistan. Das Buch umfasst fünf faszinierende Schilderungen von den wilden Pilgerfesten der Derwische und Fakire, von ekstatischen Trancenächten an Heiligenschreinen und dem kontemplativen Hörgenuss hochvirtuoser Konzerte in den privaten Musikzimmern von Lahore“.

«Was mich immer wieder staunen lässt und fasziniert, ist die emotionale Wirkung, die dieses Hören mit allen Sinnen – vor allem aber mit dem ‹Ohr des Herzens› – entfaltet. Würden die eifernden Mullahs und andere Musik-Verächter doch nur erkennen, dass Klänge die Herzen öffnen und einige der Schleier zwischen Gott und den Menschen zu entfernen vermögen.» Jürgen Wasim Frembgen

  • Das verschlossene Tal. Bei wehrhaften Freunden im pakistanischen Himalaja, Waldgut-Verlag, Frauenfeld 2013
  • Tausend Tassen Tee. Lebensgenuss im Orient. Lambert Schneider/WBG, Darmstadt 2014
  • Töchter der Steppe, Söhne des Windes. Gold und Silber der Turkmenen. Hirmer-Verlag, München 2015 (Katalog einer Ausstellung des Museums)
  • Sufi Tonic. Unterwegs in Pakistan und Indien. Edition Tethys, Potsdam 2016 (eine sehr lesenswerte und lebendige Zusammenstellung kürzerer und längerer Geschichten, teils Originalbeiträge, teils aus anderen Publikationen)
  • Das Rätsel des Pfeils. Begegnungen mit Sufi-Meistern. Waldgut-Verlag, Frauenfeld 2017, 27€, 200 Seiten mit 21 Farbabbildungen.

Die geheimnisvolle Weissagung einer jungen Mystikerin führt Jürgen Wasim Frembgen zu vier Sufi-Meistern in Pakistan und Indien: dem mildtätigen «Sultan der Liebe» aus dem Süden, dem «Asketen in der Wildnis» aus dem Osten, dem «leuchtenden Türkis» aus dem Westen und dem «sanften Menschenfreund» aus dem Norden. Im Rahmen privater Besuche, traditioneller Lehrgespräche und ritueller Zusammenkünfte taucht der Erzähler mit allen Sinnen ein in die Erlebniswelt des volkstümlichen Islam auf dem Subkontinent. Ihm begegnen Wundersames, Magisches und Rauschhaftes; Gebet, Kontemplation und Askese; Armut, Würde und Freigebigkeit.
Lebendig schildert der Autor den Sufismus der Gegenwart, mit Faszination und Empathie, doch ohne Verklärung, gleichermaßen kritisch gegenüber westlicher Lifestyle-Religiosität wie gegenüber einem rigiden Islamismus, der die eigene jahrhundertealte Kultur bedroht. Deutlich artikuliert sich der innere Zwiespalt des Ethnologen, der über die Jahre zu einem Teil der Welt geworden ist, die er erforscht. Im Kreis der Weisheitssucher am Derwischfeuer fallen Feldforschung und Selbsterkenntnis am Ende in eins.